8,8-cm-Flugabwehrkanone

  • Die 8,8-cm-FlaK, auch „Acht-Acht“ oder „Acht-Achter“ genannt, war eine vorwiegend im Zweiten Weltkrieg gebaute und eingesetzte deutsche Flugabwehrkanone, die auch häufig gegen Bodenziele zum Einsatz kam.



    Geschichte und Einsatz


    Entwicklung




    Die Entwicklung der Waffe geht auf das Ende des Ersten Weltkriegs zurück, als die damaligen bodengestützten Waffen gegen die immer höher fliegenden Flugzeuge kaum mehr etwas ausrichten konnten. Wegen des Kriegsendes kamen diese frühen schweren Flugabwehrkanonen aber kaum mehr zum Einsatz.


    Durch den Versailler Vertrag war Deutschland die Entwicklung und Produktion zahlreicher Waffenarten, darunter auch schwere Artillerie, verboten. Dieses Verbot wurde jedoch vielfach umgangen, indem deutsche Wissenschaftler und Angehörige der Reichswehr ins Ausland gingen, unter anderem in die Sowjetunion. Krupp sandte eine Gruppe von Ingenieuren nach Schweden zur Firma Bofors, die schon damals führend auf dem Gebiet der Flugabwehrwaffen war. Hier entstand zunächst eine neue Kanone vom Kaliber 75 Millimeter, welches jedoch später auf 88 Millimeter vergrößert wurde. Ab 1933 wurde dieses Modell als FlaK 18 in Essen in Serie produziert. In der Regel bezeichnete bei deutschen Waffen die Zahl das Jahr der Konstruktion bzw. der Einführung bei der Truppe. Aus Geheimhaltungsgründen erhielten aber alle Waffen, die zur Zeit der Rüstungsbeschränkung ab 1920 entwickelt wurden, die Modellbezeichnung „18“.


    Einsatz in Spanien und bei der Deutschen Wehrmacht


    Erstmalig eingesetzt wurde die Waffe im Spanischen Bürgerkrieg. Dort wurde sie auch erstmals in der Rolle einer Panzerabwehrkanone getestet und es wurden hier bereits die Vor- und Nachteile der 8,8-cm-Flak in der Rolle als Panzerabwehrwaffe sichtbar. Die Erfahrungen führten zur Einführung eines zweiteiligen Geschützrohres und einer robusteren Zugmaschine.
    Im Zweiten Weltkrieg war sie an praktisch allen Fronten im Einsatz, wobei eine Batterie für gewöhnlich vier Geschütze umfasste.




    Ihren legendären Ruf erwarb sie sich weniger in ihrer Hauptrolle als Flugabwehrkanone, sondern vor allem durch ihren Einsatz im Erdkampf, insbesondere bei der Panzerbekämpfung. Zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion war die 8,8-cm-FlaK die einzige Waffe, die dem stark gepanzerten russischen T-34 gewachsen war, da die normalen Panzerabwehrkanonen (PaK 36) zu schwach waren. Durch ihre Feuerkraft war sie bei den alliierten Soldaten gefürchtet. Das Geschütz konnte Ziele aus Entfernungen von 1.800 Metern zerstören. Nachteilig für ihre Verwendung an der Front war allerdings die hohe Silhouette sowie das relativ große Gewicht der Waffe.


    Mitte 1944 waren fast 11.000 Exemplare der Typen 18, 36 und 37 bei der Wehrmacht im Einsatz, dazu etwa 140 Stück der FlaK 41 (genauere Beschreibung der Typen siehe unten). Allein im Oktober 1944 wurden von diesen Geschützen mehr als 3,1 Millionen Granaten verschossen. Wie wichtig die Waffe war, verdeutlicht auch die Tatsache, dass ein Drittel aller in diesem Jahr in Deutschland hergestellten Kanonenrohre für die „Acht-Acht“ bestimmt war. Erbeutete Exemplare wurden auch von der britischen Armee sowie der US Army eingesetzt, die sogar ein eigenes Handbuch in englischer Sprache drucken ließ, die Rote Armee (und Anhang wie Polnische Armee im Osten usw.) verwendeten ebenfalls erbeutete Kanonen. Nach dem Ende des Krieges war die Waffe noch lange Jahre in Jugoslawien und Finnland im Dienst.


    Die 8,8 als Kanone des Tiger


    Die 8,8-cm-FlaK wurde aufgrund ihrer hohen Durchschlagskraft (in leicht modifizierter Form als 8,8-cm-KwK 36 L/56) auch als Bewaffnung für den Panzerkampfwagen VI (Tiger I), von dem 1355 Exemplare gebaut wurden, ausgewählt. 1943 wurde auf Basis der 8,8-cm-Flak die Panzerabwehrkanone PaK 43 entwickelt, die später auch in die 489 Königstiger (Panzerkampfwagen VI Tiger II) sowie verschiedene Jagdpanzer eingebaut wurde.


    Einsatz gegen die HMS Sikh


    Bei einem Anlandungsversuch der britischen Streitkräfte bei Tobruk am 14. September 1942 wurde der Zerstörer HMS Sikh von „Acht-Achtern“ der Flak-Abt. I./43 (Major Wegener) unter Feuer genommen. Dabei wurde die HMS Sikh so schwer beschädigt, dass sie anschließend im Schlepp der HMS Zulu sank.


    Die 8,8 als Rückgrat des Heimatluftschutzes


    Flak-Einheiten mit der 8,8 cm-Flak in den Ausführungen 18, 36 und 37 waren das Rückgrat der Luftverteidigung im Bombenkrieg, den die Alliierten gegen deutsche Städte, Industrie und Infrastruktur führten. Mit Ausnahme von Marinestandorten waren die 8,8-Batterien organisatorisch Teil der Luftwaffe.


    Die 8,8 bewährte sich bis zum Kriegsende in mittleren Höhen. Auch wenn der Strom der Bomber nicht aufgehalten wurde, verloren die Alliierten insgesamt über 100.000 Soldaten im Bomberkrieg.




    Der Einsatz erfolgte in Batterien mit jeweils vier Geschützen und ergänzend Flakscheinwerfern. Die 8,8 wurde nicht auf Flakbunkern montiert, sondern im Einsatz auf freiem Feld aufgestellt. [1] Im August 1944 wurden im Heimatluftschutz 10.930 Geschütze, also mehr als 2500 Flakbatterien eingesetzt. Für die Zeit zwischen den Einsätzen wurden an allen Dislozierungspunkten standardisierte Flakhallen für je eine Batterie gebaut. Diese in fester Bauweise errichteten Flakhallen existieren überwiegend noch heute und geben Zeugnis vom Luftkrieg fast überall in Deutschland. Vielfach wurde nach dem Krieg der Teil mit den Aufenthaltsräumen für die Mannschaft als Wohnung genutzt, die eigentliche Halle wurde von Kleinbetrieben und Handwerkern als Werkhalle genutzt. Auch Feuerwehren und Vereine nutzten und nutzen die alten Flakhallen bis heute.


    Einsatztaktik


    Im Heimatschutz wurden zur Steigerung der Effektivität an den Haupangriffszielen bis zu zehn Batterien zu Großbatterien unter zentralem Kommando zusammengefasst. Bei einem Luftangriff wurde die ungefähre Flughöhe gemessen und die Zünder der Sprengmunition entsprechend eingestellt. Nach dem Abschuss detonierten die Geschosse in der eingestellten Höhe. Jedes Geschütz erhielt eine abgestimmte Zielvorgabe. Eine Großbatterie konnte so einen Luftraum von beispielsweise 500 m x 500 m x 250 m mit Sperrfeuer belegen und zu einem splittergefüllten Raum machen. Zehn Batterien mit je vier Kanonen erzeugten minütlich bei je 18 Schuss ein Sperrfeuer von 720 Granatexplosionen.


    Im Laufe des Krieges zeigte sich, dass die Waffe bei Höhen über 6000 Meter ungenau schoss und zum anderen, dass die Splitterwirkung der Munition gegen moderne Flugzeuge wie die B-17 nicht ausreichend wirkungsvoll war. Zur Lösung des Problems wurde der Zerlegerzünder mit einem Aufschlagzünder kombiniert.


    Gegen Ende des Krieges wurden in großem Umfang zur Bedienung von Flakkanonen ältere Jugendliche eingesetzt, die sogenannten Flakhelfer. Im Dezember 1942 standen hierfür z.B. 68.522 Schüler zur Verfügung. Insgesamt wirkten über 200.000 Schüler und Lehrlinge im Flakdienst mit.


    Versionen




    Die erste Version war die FlaK 18. Sie besaß ein einteiliges Rohr, einen oberhalb des Rohres angeordneten hydropneumatischen Luftvorholer und eine kreuzförmige Lafette. Diese erlaubte eine Drehung um 360°, was bei einer gewöhnlichen Artilleriewaffe ohne Lafettenbewegung nicht möglich ist. Zum Transport wurden die beiden seitlichen Arme des Kreuzes beigeklappt und jedes der beiden Enden der Lafette auf einen einachsigen Anhänger gesetzt (beide zusammen bildeten den Sonderanhänger 201), wobei das Rohr in Fahrtrichtung zeigte. Die leergeschossenen Patronen wurden automatisch ausgeworfen, so dass eine eingespielte Mannschaft etwa 15 bis 20 Schuss pro Minute abgeben konnte.


    Da der hinterste Teil des Rohres in der Regel am stärksten beansprucht wird, erhielt die verbesserte FlaK 36 ein dreiteiliges Rohr. Somit musste nicht immer das gesamte Rohr ausgewechselt werden, sondern nur der jeweils verschlissene Teil. Spätere Waffen erhielten verbesserte Protzen (Sonderanhänger 202).


    Die FlaK 37 entsprach weitgehend der FlaK 36, besaß jedoch eine verbesserte Übertragung der Zieldaten vom Kommandogerät zur eigentlichen Waffe.


    Neben der erwähnten Standardlafette gab es auch eine Reihe weiterer Modifikationen, darunter spezielle Plattformen für Eisenbahnwagen, verschiedene Selbstfahrlafetten sowie einen Schild für die Verwendung beim Bodenkampf. Dieser bot der Bedienmannschaft allerdings nur begrenzten Schutz und vergrößerte zudem die Silhouette der Waffe zusätzlich.


    Alle drei Versionen waren sich sehr ähnlich, und es kam durchaus vor, dass Baugruppen einer Version in eine andere eingebaut wurden. Entscheidend für die Bezeichnung war dabei das Lafettenkreuz, d. h. eine Lafette der FlaK 18 mit einem Rohr der FlaK 36 wurde als FlaK 18 bezeichnet.


    Trotz des Erscheinens der FlaK 41 (siehe unten) wurden die älteren Versionen bis Kriegsende weiter gebaut. Mit der FlaK 37/41 wurde versucht, die Leistungen der früheren 8,8-cm-FlaK an diejenigen der FlaK 41 anzugleichen. Dazu erhielten die Geschütze längere Rohre mit Mündungsbremse sowie Zünderstellmaschine und Ladeeinrichtung der FlaK 41. Es handelte sich jedoch um einen Notbehelf, von dem nur wenige Exemplare gebaut wurden.


    Technische Daten der FlaK 18, 36 und 37


    Kenngröße Daten
    Länge in Feuerstellung 7.620 mm
    Breite 2.305 mm
    Höhe 2.418 mm
    Rohrlänge 4.930 mm (L/56)
    Kaliber 88 mm
    Masse in Feuerstellung 5.000 kg
    Masse in Transportstellung 7.400 kg (inkl. Sd.Anh. 201 und Schutzschild)
    Rohrerhöhung -3° bis +85°
    Schwenkbereich 360°
    Mündungsgeschwindigkeit 820 m/s (Sprenggranate)
    795 m/s (Panzergranate)
    Geschossmasse ca. 9,4 kg
    Max. Schussweite 14.860 m
    Maximale Schusshöhe 10.600 m
    Prakt. Feuergeschwindigkeit 15–20 Schuss/min.




    Um mit den immer größeren Flughöhen der gegnerischen Flugzeuge Schritt halten zu können, schrieb die Luftwaffe im Jahre 1939 eine neue FlaK gleichen Kalibers aus. Den Entwicklungsauftrag erhielt die Firma Rheinmetall.


    Die FlaK 41 war praktisch eine komplette Neuentwicklung. Sie hatte zwar das gleiche Kaliber, verwendete jedoch eine andere Munition als die früheren Modelle. Sie besaß ein längeres Rohr, eine andere Lafette und eine elektrische Zünderstellmaschine. Zunächst als Gerät 37 bezeichnet, wurde die Waffe erstmals 1941 vorgestellt, gelangte aber erst zwei Jahre später zum Einsatz. Zum Transport wurde sie auf den Sonderanhänger 202 verlastet.


    In der Leistung war die Flak 41 den Modellen 18 bis 37 überlegen. Sie erreichte nicht nur größere Schusshöhen, sondern auch höhere Feuergeschwindigkeiten (bis zu 25 Schuss pro Minute). Sie war aber auch deutlich komplizierter bezüglich Fertigung, Wartung und Reparatur. Probleme bereiteten beispielsweise immer wieder sich verklemmende Patronenhülsen.


    Abhängig von der Munition kamen verschiedene Rohre zum Einsatz: zunächst fünfteilige (bei Messinghülsen), später vierteilige (bei vergüteten Stahlhülsen) und einteilige Rohre (bei unvergüteten Stahlhülsen).


    Die FlaK 41 wurde in deutlich geringeren Stückzahlen gefertigt als die früheren Versionen.


    Technische Daten der FlaK 41


    Kenngröße Daten
    Länge in Feuerstellung 9.658 mm
    Breite 2.400 mm
    Höhe 2.360 mm
    Rohrlänge 6.548 mm (L/74,4)
    Kaliber 88 mm
    Masse in Feuerstellung 8.000 kg
    Masse in Transportstellung 11.200 kg (inkl. Sd.Anh. 202 und Schutzschild)
    Rohrerhöhung -3° bis +90°
    Schwenkbereich 360°
    Mündungsgeschwindigkeit 1.000 m/s (Sprenggranate)
    980 m/s (Panzergranate)
    Geschossmasse ca. 9,4 kg
    Max. Schussweite 19.800 m
    Maximale Schusshöhe 14.700 m
    Durchschlagsleistung (Panzergranate 40)
    auf 100 m 237 mm
    auf 1.000 m 192 mm
    auf 2.000 m 127 mm
    Prakt. Feuergeschwindigkeit 20–25 Schuss/min.


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